Naturheilpraxis - Ausgabe 06/2001
"Lichtpflanzen" gegen das Dunkel der Seele
von Susanne Lorenz

Phytotherapeutische Möglichkeiten bei der Behandlung von Depressionen
Glaubt man den Umfragen, dann leiden etwa 20% der Bevölkerung zeitweise an Depressionen und in den Allgemeinpraxen sollen 60% der Patienten Störungen aufweisen, die psychosomatischer Ausdruck eines depressiven Geschehens sind.

Auch wenn man sich des Eindrucks kaum erwehren kann, hier handle es sich um eine typische Erscheinung der modernen Zeit, so reichen die Beschreibungen dieser Krankheit weit zurück.
Unter dem Namen „Melancholie“ liegen uns Berichte aus der Antike vor, die ein genaues Bild dieser Erkrankung zeichnen, und die ebenfalls Pflanzen und „Säfte aus ägyptischen Kräutern“ nennen, die der Heilung derselben dienen sollen. Der Ursprung der Erkrankung liegt nach antiker Vorstellung darin, aus der Gunst der Götter gefallen zu sein. Die Heilung kann das „pharmakon“, die Kraft der Pflanze aus der Hand eines Menschen bringen.
Nach Hippokrates (460 - 370 v. Chr.), diesem wohl berühmtesten Arzt der Antike, beschreibt sein Schüler und Schwiegersohn Polybos in der sogenannten Säftelehre, der „Quattuor Humores“, die Melancholie als ein Überhandnehmen oder krankhaftes Entarten der schwarzen Galle. Seine Behandlungsempfehlungen umfassten deshalb logischerweise Entleerung, Ausleitung des Saftes, Abkühlung oder Erwärmung durch entsprechende Bäder, und als Wichtigstes, eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Reichten diese Maßnahmen und die richtige Diät nicht aus, so kam als Heilpflanze die Schwarze Nieswurz (Helleborus niger) zum Einsatz. Wir kennen diese Pflanze, die auch als digitalis-artiges Herzmittel eingesetzt wurde, unter dem volkstümlichen Namen Christrose, der darauf zurückzuführen ist, dass die großen, weißen Blüten im Dezember erscheinen. Jahrhunderte lang sollte dies die wichtigste Heilpflanze bei Wahnsinn und Depression bleiben, denn der giftige Nieswurzsud bewirkte Erbrechen und Durchfall, wobei die Schleimhäute stark gereizt wurden und deshalb häufig schwarzer Stuhl hervorgerufen wurde, was zu der irrigen Auffassung führte, dass auf diese Weise der Körper von der schwarzen Galle befreit würde. Heute spielt diese Pflanze in der Phytotherapie keine Rolle mehr.

Doch die Säftelehre war auch in der Antike nicht unumstritten. Soranus von Ephesos (2.Jh.n.Chr.), berühmter Gynäkologe in Rom, sah die Ursachen der Melancholie in einem Zustand großer Anspannung und einer „Verengung“ der Nervenfasern. Er setzte bereits auf psychotherapeutische Maßnahmen und schlug vor, die Patienten ins Theater, insbesondere in fröhliche Stücke, zu führen.
Die Anwendung der Heilkraft des Wassers in den antiken Badehäusern, die ebenso der Zerstreuung und dem Vergnügen dienten, fand auch im 18. und 19. Jahrhundert noch rege Nachahmung.
Hildegard von Bingen, die große Heilkundige des Mittelalters, empfahl zur Behandlung der Melancholie ein Elixier aus Aronstab, bei dem die Wurzel in Wein gekocht und mit Honig angereichert wurde.
Paracelsus (1493 - 1541), der heute noch sehr bekannte Vertreter der Signaturlehre, verwendete bereits das Johanniskraut und er schreibt darüber: „Die Blüten verwesen in der Form des Blutes. Das ist ein Zeichen, dass sie für Wunden gut sind.“ Auf die antidepressive Wirkung bezieht er sich, wenn er betont, dass Johanniskraut „... alle Phantasmata im und auch außerhalb des Menschen austreibt..... Dies sind Krankheiten, die den Menschen zwingen sich selbst zu töten“.
Man sieht anhand dieses kurzen Ausflugs in die Geschichte, dass Depressionen in allen Jahrhunderten eine allgemein bekannte Krankheit waren und es mag sogar ein Merkmal der abendländischen Kultur sein, dass hier der „Kult des Depressiven“ zur allgemeingültigen Lebensform erhöht wurde und die Äußerungen elementarer Lebensfreude oft von staatlichen und kirchlichen Instanzen abgewürgt wurden.
In Eroberermanier hat man lange Zeit andere Kulturen und insbesondere Naturvölker, die das Geheimnis des lächelnden Lebens noch kennen, als minderwertig und rückständig abqualifiziert. Unsere Bewunderung gilt dem heroischen Scheitern. Die „Leichtigkeit des Seins“ ist gar „unerträglich“.

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