Naturheilverfahren
heute -Ml-Verlag
Das
"Eisberg"-Phänomen
Warum
gibt es so viele Patienten, die sich krank, leidend, leistungsunfähig fühlen,
obwohl alle Laborwerte, seitenlang vom Computer ausgedruckt, o.B. sind?
Alles nur psychogen? Warum erleiden Menschen "plötzlich und
unerwartet" einen tödlichen Herz- oder Hirninfarkt? Warum weiß
man zwar, daß ein Krebs zu seiner Entstehung 15 bis 20 Jahre braucht,
ohne daß irgend jemand erklären kann, was in all diesen Jahren im
Organismus vor sich geht, bis der Tumor schließlich unwiderruflich da
ist? In all diesen Fällen offenbart sich eine entscheidende Lücke in
der üblichen Diagnostik. Wo steckt diese?
Sie
steckt in der Überbewertung der zählbaren, wägbaren, sichtbaren
Befunde von Röntgenbild, Morphologie, Histologie u. a. m., mithin von
quantitativen Kriterien. Zwar nicht gänzlich ausgeschlossen aber doch
erheblich seltener eingesetzt, wird die Diagnostik der Funktion, der
Reaktion, der Dynamik, mithin die Diagnostik der Qualität. Sie wird
durchgeführt als gezielte Diagnostik einzelner Organe. So kennen wir
die Kreislauffunktionsprüfung, die Nierenclearencebestimmumg, den
Leberbelastungstest, das Blutzuckertagesprofil usw. - Sie sind alle
wichtig. Aber jeder einzelne Test ist nur ein Steinchen in dem großen
Mosaik des Gesamtorganismus, auf dessen Zusammenspiel es so entscheidend
ankommt. Erst der Blick auf das Ganze, auf das Gefüge des ganzen Bildes
offenbart die Zusammenhänge, läßt das Gewirr der bunten Einzelsteine
zum sinnvollen diagnostischen Gesamteindruck werden. Aber eine solche
Ganzkörper-Funktionsdiagnostik kennt die Klinik nicht.
Wir
kennen eine solche Diagnostik und arbeiten mit ihr: Die
Elektroakupunktur nach Voll. Sie hat uns Zusammenhänge sehen gelehrt,
die wert sind, in die Diagnostik aufgenommen zu werden. Seit 35 Jahren
werden hier Erfahrungen zusammengetragen, die exakt, gut reproduzierbar
und auch vor klinischen Augen vorzeigbar sind, denn es handelt sich um
physikalische Messungen. Von allen regulativen oder vegetativen
Funktionen des Organismus (Grundregulationssystem, Immungeschehen,
Hormonhaushalt, Grundumsatz u.a.m.) ist besonders gut das
Akupunktursystem auf der Oberhaut meßbar, das von allen anderen abhängt
und von dem alle anderen abhängen. Wir brauchen keine invasive Methode,
um sie zu diagnostizieren, wir brauchen sie nur auf der Haut
abzugreifen. Ihre Erfassung gibt Auskunft über physiologische und
pathologische Reaktionen des Gesamtorganismus oder auch lokal begrenzte
Entgleisungen.Wenn man eine solche Ganzkörperdiagnostik der Qualität,
nämlich der Regulationsfähigkeit hinzunimmt, schließt sich die
"diagnostische Lücke", und man gewinnt Einblicke in eine neue
Dimension, nämlich in die Entstehung und das Werden von Krankheiten.
Diese Erkenntnisse sind so interessant und wesentlich für die spätere
Therapie, daß sie hier kurz zusammengefaßt werden sollen:
1.
Die Grunderkenntnis ist, daß ein gesunder Mensch eine gute Regulationsfähigkeit
hat. Oder - umgekehrt -: Wer gut reguliert, kann nicht chronisch krank
sein.
2.
Akute Krankheiten sind kräftige Abwehrphasen auf dem Boden einer guten
Regulationsfähigkeit. Chronische Krankheiten sind individuell geprägte
sekundäre Folgen von Regulationsstörungen. Das heißt: Chronische
Krankheiten können nur auf dem Terrain einer primären Regulationsstörung
wachsen.
3.
Nicht die Krankheit ist es, die die Regulationsfähigkeit beeinträchtigt,
sondern umgekehrt: auf dem Boden einer gestörten Regulationsfähigkeit
erst baut sich die Krankheit auf. Oft um Jahre früher laßt sich die Störung
der Qualität nachweisen. Sie ist der Boden für die nachfolgende Störung
auch der Quantität.
4.
Die primäre Regulationsstörung kann durch vielfältige Noxen und Schädigungen
bedingt sein. Die Ursachen liegen oft weit in der Vergangenheit.
So
kristallisiert sich die Entstehung chronischer Krankheiten wie ein
"Eisberg" heraus. Das Diagnoseverfahren EAV ermöglicht durch
die Kombination der Akupunktur und einer erweiterten Homöopathielehre
eine sehr gezielte Diagnostik. Die Ursachen diverser Art summieren sich
im Unspürbaren, gewissermaßen tief unter der "Wasseroberfläche".
Sie beeinflussen und behindern das humorale Geschehen, das noch lange in
der Lage ist, aufzufangen, zu kompensieren. Mit fortschreitender
Belastung aber erschöpft sich auch das beste Kompensationsvermögen.
Nun werden Regulationsstörungen dokumentierbar, von denen der Patient
noch nicht viel zu spüren braucht. Erst wenn auf diesem Boden
Funktionsstörungen entstehen, taucht das Geschehen gewissermaßen an
der "Wasseroberfläche" auf. Jetzt wird es bemerkbar. Der
Patient sucht seinen Arzt auf. Objektivierbare, handfeste Befunde aber
gibt es erst, wenn es auch zu Veränderungen der Quantität gekommen
ist, zur "Eisbergspitze", zur Organerkrankung. Hier, an dieser
erkennbaren Spitze setzt der ganze Aufwand klinischer Therapie an. Der
übrige "Eisberg", das Terrain "unter Wasser", auf
dem diese quantitativen Spitzen wuchsen, bleibt unberücksichtigt,
unbehandelt. Die Chronizität des Leidens ist nciht aufzuhalten.
Homöopathische
Ärzte gehen mit ihrer Diagnostik bereits in tiefere Schichten: Sie
erfragen vor allem die Funktionsstörungen des Patienten. Ihre
Diagnostik und Therapie beginnt gewissermaßen da, wo der
"Eisberg" ans Licht des Tages tritt. Die noch frühere Schicht
der Regulationsstörungen aber können auch sie nicht erfassen. Dazu
braucht man z. B. die Meßwerte der Akupunkturpunkte und den
Resonanztest, die uns die feinste Symptomatik des Körpers anzeigt.
Auch
Hahnemann wußte um die Schwierigkeit und Verborgenheit des Terrains
chronischer Krankheiten. Er hat sich viele Gedanken darüber gemacht,
warum chronisch Kranke so anders reagieren, als man es normalerweise
erwarten sollte. Er nannte dieses belastete Terrain "Miasma",
d. h. Verunreinigung. Er wußte bereits, daß er chronisch Kranke nicht
nur oberflächlich behandeln durfte, wenn er zu einem Dauererfolg kommen
wollte. So fordert er, daß langsam, Schritt für Schritt das
"Miasma" abgetragen und aufgearbeitet werden müsse, wenn man
den Patienten der Gesundheit zuführen will.
In
der Klinik gelten chronische Krankheiten weithin als unheilbar. Anschütz
sagt zur chronischen Krankheit: "Sie wird sich nicht bessern. Das
Unbegrenzte des Krankheitserlebnisses ist offenbar. Wie lange der
Zustand schon besteht, ob Monate oder Jahre, ist weniger wichtig als die
Tatsache, daß chronisch Kranke für den Rest ihres Lebens eingeschränkt
sind, ihnen sowohl im Körperlichen wie im Seelischen eine Last aufgebürdet
wurde."
Als
Ursachen für die Entstehung chronischer Krankheiten werden Noxen
verschiedenster Art angenommen. Ob Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa,
ob Neurodermitis oder Psoriasis, ob rheumatischer Formenkreis oder
schließlich das Krebsgeschehen, es kann für keine dieser Krankheiten
eine einzelne Kausa angegeben werden. Immer häufiger hört man von
multikausalem Geschehen. Und als infrage kommende Faktoren werden für
alle Krankheiten eigentlich stets die gleichen aufgeführt: genetische
Belastungen, alimentäre Einflüsse, infektiöse Noxen, immunologische
Vorgänge, allergisches Geschehen, Umwelteinflüsse, psychosomatische
Faktoren und schließlich auch iatrogene Schäden.
Hauss/Junge-Hülsing/Gerlach
schreiben in ihrem Buch "Die unspezifische Mesenchymreaktion":
"Erschwerend für die Klärung dieser multifaktorellen Pathogenese
tritt der Tatbestand hinzu, daß die Noxen nicht immer dasselbe Bild
produzieren: Es kommt als Folge der Einwirkung dieser Faktoren bei dem
einen Menschen zum Herzinfarkt, bei anderen zur Apoplexie, zu peripheren
Durchblutungsstörungen, zu generalisierter Arteriosklerose oder auch
zum Magengeschwür."
Jeder
einzelne dieser Faktoren und alle zusammen belasten das
Grundregulationssystem und seine Funktionsfähigkeit. Sie überlasten
schließlich die Möglichkeit zum Abbau, zur Regeneration. So wächst
der "Eisberg" und kommt schließlich ans Tageslicht. Wo und
welche Spitzen er ausbildet, hängt von der individuellen Disposition
ab, vom jeweiligen locus minoris resistentiae. Der eine bekommt eine
Colitis ulcerosa, der andere den Morbus Crohn - und niemand kann beides
bekommen. Spätestens jetzt wird deutlich, warum es so schwer ist,
chronische Krankheit auszuheilen. "Sie wird sich nicht
bessern". Ist die chronische Krankheit wirklich so endgültig,
nicht mehr besserungsfähig? Den Kliniker, dessen Erfahrung das ist, muß
es tatsächlich wie Größenwahn anmuten, wenn Ärzte für
Naturheilverfahren und Homöopathie dieser Meinung ihren ganzen
Optimismus entgegensetzen und durchaus versuchen, auch und gerade
chronische Krankheiten zu therapieren. Und dies vielleicht nicht immer,
so doch oft mit Erfolg. Ja, man kann sagen: Die chronischen Krankheiten
sind eigentlich nur mit aktivierenden Heilverfahren therapierbar. Denn
mit einer Konträrtherapie, welche die bereits gestörte Regulation noch
weiter einschränkt, ist das in der Tat nicht zu schaffen. Das ist nur möglich,
indem man den "Eisberg" der Belastungen abträgt, vorsichtig,
langsam, geduldig. In immer neuen, kleinen Reaktionsphasen muß der
regulationsgestörte Organismus schrittweise entschlackt und trainiert
werden, so daß er allmählich wieder zu einer besseren Reaktionsfähigkeit
zurückfindet. Und hierzu ist die gesamte aktivierende Seite der Medizin
gefordert. Hier finden wir die Verfahren, die eine Naturheilung auch aus
chronischer Krankheit ermöglichen, die Naturheil-Verfahren. Auf diesem
Wege der aktivierenden Regulationstherapie wird eine
Regulationsdiagnostik ein unentbehrlicher Begleiter sein. Von der
Erkennung des "Eisberges", d. h. des Ausmaßes der
Regulationsstörung (erschreckenderweise mehr und mehr bei noch jungen
Menschen in erheblichem Maße zu finden) über therapeutische und
prognostische Erwägungen reicht der Nutzen dieser "Diagnostik der
Lücke" bis hin zur Therapiekontrolle, die über Fortführung oder
Änderung des eingeschlagenen Weges der Therapie entscheidet. Und auch
die erreichte Heilung läßt sich dokumentieren. Eine sinnvolle
Diagnostik in der Praxis sollte also nicht nur bereits Gewordenes
erfassen, sie sollte vor allem den Blick in das Werdende ermöglichen.
Nur das erlaubt eine echte Vorsorge. Die Erkennung des
"Eisbergs" vor Ausbruch der Krankheit erlaubt, das alte Ideal
des Arztes zu verwirklichen: zu therapieren und zu heilen, bevor es zur
manifesten Organerkrankung gekommen ist. Der unklare Fall, der
Problempatient, er wird klarer, wenn die Untersuchung nicht nur auf
seine Quantitätsveränderungen ausgerichtet sind, sondern auch auf die
Frage nach seiner Reaktionsfähigkeit. Nur sie kann Auskunft geben über
das Ausmaß des "Eisbergs", der hier abgetragen werden muß.
Zusammenfassung
Chronische
Krankheiten wachsen wie Eisberge: In der Tiefe, gewissermaßen unter
Wasser, unsichtbar und unspürbar summieren sich die verschiedensten
Belastungen des Grundsystems. Diese oft zitierte Multikausalität kann
anfangs noch aufgefangen, ausreguliert werden. Bei weiterer Zunahme führt
sie jedoch zu Regulationsstörungen, die beständig sind und schließlich
zu Funktionsstörungen führen. Erst auf diesem gestörten Terrain
entstehen dann manifeste Organerkrankungen, die erst jetzt
diagnostizierbar, also objektivierbar sind. Ein Einblick in die
Entstehung dieses "Eisbergs" ist nur möglich durch einen
Blick in tiefere Schichten, durch eine Beurteilung der Regulationsfähigkeit.
Diese Regulationsdiagnostik ermöglicht eine echte Vorsorge, eine
Prognose, und sie gibt Hinweise für die Therapie. Hier wird dem Arzt
eine neue Dimension der Diagnostik erschlossen. Wir empfehlen dafür die
Elektroakupunktur nach Voll. Andere Verfahren dazu werden in dem Buch
Naturheilverfahren heute dargestellt.
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