Magazin Bio - Ausgabe 03/2000

Ernährung
Gute Fette, schlechte Fette

Ob sie uns fit oder krank machen, das haben wir weitgehend selbst in der Hand. Eines steht fest: Wir brauchen Fette, um gesund zu bleiben und uns wohl zu fühlen. Dieser Report klärt darüber auf, was wir tun müssen, um uns vor Schaden zu bewahren. Mehr noch: Er zeigt, wie sich Fette in unserer Nahrung sogar als Medizin erweisen können

Fett kann gefährlich sein, wie wir noch erfahren werden. Es ist aber weder hilfreich, noch bekömmlich, fettarm zu essen. Fette braucht der Mensch für seine Gesundheit, und zwar nicht nur wegen der in ihnen enthaltenen essentiellen Fettsäuren, sondern weil sie die natürliche Verpackung für lebenswichtige Nahrungskomponenten wie Vitamine oder Coenzyme abgeben Außerdem geht uns „ohne“ auch manches Geschmackserlebnis ab, und es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Stimmung unter einer Fett-Abstinenz leidet, was sich in Gereiztheit und Depressionen äußern kann. Was also tun? Wir möchten in diesem Beitrag eine kleine praktische Fettkunde vorstellen und das gute (wenig verzehrte) Fett ebenso klar benennen wie die unbekömmliche, in höchstem Maße abträgliche (reichlich verzehrte) Variante. So wird, auf durchaus genussvolle Weise, aus einem hochproblematischen Stoff eine geradezu segensreiche Medizin.

Gute Fette als Fit- und Gesundmacher

Fett hat heute als Dickmacher und Herzkiller ein denkbar schlechtes Image. Doch die dabei erhobenen pauschalen Vorwürfe sind falsch. Fett ist nämlich für uns vor allem ein Wirkstoff, nicht nur ein Energieträger. Als man erkannte, dass bestimmte Fettsäuren zufuhrnotwendig („essentiell“) sind, wären diese neu entdeckten „Lebensstoffe“ um ein Haar in die Gruppe der Vitamine eingereiht worden. Dies betraf das Duo Linol- und Linolensäure, wie es reichlich in Pflanzensamen und daraus gewonnenen Ölen vorkommt. Die zwischenzeitlich verwendete Bezeichnung „Vitamin F“ konnte sich dann aber in der Forschung schließlich doch nicht durchsetzen. Leider, muss man sagen. Denn als Vitamin hätte man den (ungesättigten) Fettsäuren sowohl in der Medizin wie auch in der Öffentlichkeit die angemessene Aufmerksamkeit geschenkt. Bedenken Sie also, dass gutes Fett tatsächlich „Vitamin-Charakter“ hat und greifen Sie zum richtigen.

 

Überfluss und Mangel

Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten haben gezeigt, dass sich zwar fast jeder Bewohner des Wohlstands- und Speckgürtels der Welt zu fettreich ernährt. Gleichzeitig förderten sie jedoch auch zutage, dass etwa 80 Prozent der Bevölkerung ein Defizit an essentiellen (hoch-) ungesättigten Fettsäuren aufweisen. Solche „eingefleischten“ Missstände und gefährliche Ungleichgewichte bringen wir nur durch eine Doppelstrategie unter Kontrolle: einmal müssen wir Jagd auf die überall lauernden versteckten Fette machen und sie Zug um Zug möglichst gründlich vom Einkaufszettel tilgen. Zum anderen gilt es, ausgewählten und besonders herausragenden Spendern von essentiellen fettigen Komponenten unserer Kost wieder einen Ehrenplatz auf dem persönlichen Speisezettel einzuräumen.

 

Die Entdeckung der Eikosanoide

Hormone steuern zusammen mit Enzymen und Vitaminen die Körperabläufe. So lernte und lehrte man es lange Zeit. Und das war auch nicht falsch, aber doch unvollständig. Denn vor gar nicht langer Zeit stieß man auf zahlreiche hormonähnliche Stoffe (Eikosanoide), von denen die Prostaglandine bisher am bekanntesten geworden sind. Ähnliche Wirkungen entfalten aber auch Thromboxan oder Leukotrine. Die von ihnen im Köper initiierten Prozesse sind wichtig für unsere Gesundheit: Viele entzündliche Vorgänge oder komplexe Abläufe wie die Blutgerinnung werden nämlich durch die hormonähnlichen Stoffe „moderiert“ und modelliert.

 

„Omega“ spielt Schicksal

Diesen Begriff sollte sich jeder einprägen. Denn es genügt nicht, zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren zu unterscheiden. Letztgenannte können sich in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden, sie sind aber grundsätzlich drei Sippen zuzuordnen:
1. Die Omega-6-Fettsäuren: Diese begegnen unserem Gaumen am häufigsten und finden sich in Fleisch, Eiern, Wurst und Milchwaren genauso wie in den Nüssen und anderen Sämereien sowie daraus hergestellten Ölen in relativ hoher Konzentration. Allerdings besteht hier ein kleiner aber bedeutsamer Unterschied: Aus tierischen Erzeugnissen nehmen wir Arachidonsäure aus der Omega-6-Reihe direkt auf. Die daraus abgeleiteten Prostaglandine (I 2a) haben es an sich, die Entzündungsbereitschaft zu erhöhen (rheumatische Arthritis!), die Fließeigenschaften des Blutes zu verschlechtern und die Gefäße zu schädigen. Dies gilt jedoch keineswegs in gleicher Weise für jene Arachidonsäure, die sich erst in unserem Körper selbst aus zugeführten pflanzlichen Omega-6-Fettsäuren bildet. Auch das Fett der Fische ist in dieser Hinsicht ungefährlich.
2. Die Omega-3-Fettsäuren sind der natürliche Widerpart zu den gerade beschriebenen Abläufen und ein effektives Heilmittel. Aus ihnen fertigen unsere Zellen spezifische Prostaglandine (I 2b und 2c), die gegenläufige Wirkungen zeigen: Sie dämpfen eine ausgeprägte Neigung zu entzündlichen Prozessen, sind gut für die Arterien und verhindern, dass die Blutplättchen allzu leicht verklumpen (Thrombose, Infarkt).
3. Omega-9-Typ: Die einfach ungesättigte Ölsäure wurde lange Zeit im Wert unterschätzt und ist hauptsächlich in Pflanzensamen, Früchten und daraus gewonnenen Ölen zu finden.

 

Gute Fette - Elixiere für Nerven und Gehirn

Zwischen guten Nerven bzw. leistungsfähigen Neuronen sowie der Qualität der zugeführten Fette bestehen engste Verbindungen. Aufmerksam geworden ist man darauf im Zusammenhang mit der frühkindlichen Gehirnentwicklung und der Ausbildung des Sehvermögens. Diesen kommen die in unserer Normalkost raren Omega-3-Fettsäuren besonders zugute. Vor allem die DHS (siehe Abkürzungenverzeichnis) ist eine vorzügliche Gehirnnahrung und lässt sich in erheblichen Konzentrationen gerade in den grauen Zellen nachweisen. Bezeichnenderweise enthält die Muttermilch - im Gegensatz etwa zur Kuhmilch - solche Fettsäuren in reichem Maße. Die Bedeutung der Fette zeigt sich aber auch bei schwer zu behandelnden Erkrankungen wie etwa der Multiplen Sklerose. Arachidonsäure und daraus hergestellte Prostaglandine lassen die Krankheit schneller voranschreiten. Bei MS sollten daher therapiebegleitend vornehmlich Fette aus der Omega-3-Familie verwendet werden. Sie dämpfen entzündliche Prozesse und können zusammen mit Vitamin E geradezu heilsam wirken.

 

Exkursion in die Gesundheitsküche

1 Native Speiseöle. Sang man früher bevorzugt ein Loblied auf die Öle mit hochungesättigten Fettsäuren (Distelöl), so hat sich hier die Szenerie inzwischen grundlegend gewandelt. Oliven- und Rapsöl konnten in jüngerer Zeit innerhalb der Ernährungsmedizin - und im Kreis der Kardiologen - sprunghaft an Renommee gewinnen. Denn es hat sich gezeigt, dass die darin enthaltenen einfach ungesättigten Fettsäuren in der Ernährung Mangelware und gleichzeitig wichtiger sind, als bislang angenommen.

2 Ausgewogene Sämereien. Nüsse und andere Samen zählen immer noch zu den sehr unterschätzten Gesundmachern. Leider fällt bei ihnen der hohe Fettanteil (bis zu 60%) störend ins Gewicht, weshalb man, wie beim Öl auch, zurückhaltend dosieren muss.

Das Sündenregister der schlechten Fette

Dass das Wort vom mitunter „tödlichen Fett“ den Sachverhalt nicht unzulässig dramatisiert, zeigte der Ölskandal in Spanien vor fast 20 Jahren. Damals kam Industrie-Rapsöl als Speiseöl in den Handel. Erschütterndes Ergebnis: Mehr als 1000 Menschen starben direkt oder an den unmittelbaren Folgen des Konsums. Bis zu 30 000 Opfer erlitten teilweise schwerste Gesundheitsschäden. Nicht immer resultieren solche Gefährdungen aus kriminellen Machenschaften und Panschereien. Oft kommt es ganz einfach infolge von Fahrlässigkeit zu Verunreinigungen durch Reinigungs- und Lösungsmittel (z.B. beim Olivenöl). Schlechte Fette schlagen sich vor allem auf die „Pumpe“ und begünstigen: ? Herzinfarkt, Hirnschlag ? Arteriosklerose mit Durchblutungsstörungen ? Bluthochdruck ? Diabetes.

 

Unbedingt reduzieren: Die gesättigten Fette

Zwar handelt es sich bei ihnen um natürliche Stoffe. Dies allein macht sie aber noch nicht zu gesunder Kost. Gefunden werden die gesättigten Fette hauptsächlich in tierischen Erzeugnissen (in größeren Mengen jedoch auch in Kokosöl oder Palmöl). Negativ zu Buche schlägt, dass tierische Fette erhebliche Mengen an Arachidonsäure enthalten. Daraus formieren sich im Körper jene hormonähnlichen Substanzen (Prostaglandine), welche - wie bereits gesagt - die Entzündungsneigung erhöhen und damit Arthritis, Multiple Sklerose, Prostataveränderungen, Hautstörungen und Ähnliches begünstigen. Außerdem können sie zu degenerativen Gefäßveränderungen führen (Arteriosklerose, Herzinfarkt) und die Blutplättchen leichter verkleben lassen (Thrombose!).

Der Butter-Margarine-Krieg

Die erste Margarine, auf Veranlassung des französischen Kaisers Napoleon III. als „Kriegsbutter“ entwickelt, bestand noch hauptsächlich aus Rindertalg. Erst als man den Kunstgriff beherrschte, die üblicherweise bei Zimmertemperatur flüssigen pflanzlichen Öle fest werden zu lassen (Härtung), war der Grundstein zum Erfolg der Ersatzbutter gelegt. Was dem Verbraucher heute kaum noch bewusst ist: Margarinen können sich grundlegend unterscheiden. Mal bestehen sie aus einem Gemisch von pflanzlichen und tierischen Fetten (Haushalts- oder Standardmargarine), mal sind sie rein pflanzlich hergestellt (Pflanzenmargarine).

 

Klartext zum Cholesterin

Cholesterin, auch in seiner „liederlichen“ LDL-Ausgabe, hat als „böser Bube der Herzmedizin“ ausgedient, selbst wenn sich dies bislang noch nicht bis in die Arztpraxen herumgesprochen hat. (Wie anders wären die anhaltenden massiven Verordnungen von Cholesterinsenkern sonst zu erklären?) Auch das „riskante“ Nahrungscholesterin ist nur ein Förderer von Herz-Kreislauf-Krankheiten und Arteriosklerose unter einem ganzen „schmutzigen Dutzend“ an anderen Faktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Homozystein, Rauchen, Bewegungsmangel... Für zuviel (falsches) Cholesterin im Blut ist zum Geringsten der hohe Cholesterin-Verzehr verantwortlich. Sprechender Beweis: Nomadisch lebende Völker wie die Massai in Afrika nehmen, im Vergleich mit Europäern, ein Vielfaches an Cholesterin auf und verfügen dennoch über geradezu beneidenswert günstige Cholesterinwerte. Ähnliches gilt für die Eskimos. Den in den Wohlstandsländern oft schon bei Kindern überhöhten Blutspiegeln liegt also offenbar eher eine grundsätzliche Fettstoffwechselstörung zu Grunde.

 

„Outing“ für versteckten Fette

Versteckte Fette sind ein großes Problem, das von der Ernährungswissenschaft kleingeredet wird. Denn dort beklagt man nur die unbemerkte hohe Energiezufuhr und das daraus resultierende Übergewicht. Tatsächlich steckt die Tücke des Objekts jedoch woanders: Versteckte Fette sind allesamt gefährliche, minderwertige und in aller Regel oxidativ geschädigte Erzeugnisse, das Resultat von vielfachen industriell-chemischen Manipulationen. Was wir hier zu uns nehmen, macht tatsächlich krank. Und der ganz normale Durchschnittsesser nimmt einen großen Teil seiner „Fettaugen“ in Form solcher versteckter Fette zu sich. Wo sich künstliches Fett überall kunstvoll verbirgt (die angegebenen Zahlen beziehen sich auf 100 g des jeweiligen Nahrungsmittels): Wurst (bis zu 50 g), Soßen, Mayonnaise (80 g), Sahne, Butter und Margarine (80 g), Käse, diverse Desserts, Süßigkeiten aller Art wie z.B. Schokolade oder Sahnetorte (35 g), Chips, Baguettes, Blätterteig, Cornflakes und andere so genannte Frühstücks-“Cerealien“. Grundregel beim versteckten Fett: Misstrauen Sie allem, was die Lebensmittelverarbeiter durch ihre Extruder und sonstige Gerätschaften geschickt haben. Fett ist das Schmiermittel für den (Über-) Konsum, und alle dabei verwendeten Rohstoffe sind vielfach erhitzt, entwertet, raffiniert und für den Körper wertlos. Sie sind bedenklich und taugen allenfalls noch zur Ablagerung in rundenden Depots - sind also rundherum überflüssig! Wal- oder Haselnüsse (ca. 60 g), Mandeln (55 g) zählen übrigens - anders als Sie dies überall werden lesen können - nicht zu dieser Gruppe. Ebenso wenig wie Avocados (ca. 23 g) oder Kokosnüsse (36 g). Denn hier hat die Natur höchstpersönlich das Fett sinnvoll und zweckreich untergebracht. Das Eichhörnchen käme ohne solche Gaben nicht über den Winter, und mancher Vegetarier würde, müsste er sie entbehren, ganz „vom Fleisch fallen“.

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