Panta Ausgabe 2/1994
Die Nieren aus der Sicht der chinesischen und der abendländischen Medizin
Hubertus J. Buchheit

Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit unternimmt der Verfasser den Versuch einer Synopsis der "Nieren" auf der Basis der traditionellen chi-nesischen und der streng naturwissenschaft-lich orientierten abendländischen Medizin. Der Verfasser, der seit Jahren die Phylogene-se und Embryogenese des Menschen in sein Forschungsprogramm einbezogen hat, kann nachweisen, dass sowohl die traditionelle chinesische Medizin als auch die abendlän-dische Medizin auf dem Gebiet der Physio-logie und der Pathophysiologie das Organ "Niere" betreffend in Grundsatzfragen völlig übereinstimmen. So bestehen direkte endo-krine Beziehungen zwischen den Nieren und den Knochen bzw. dem Knochenmark oder dem Herzen und den Nieren. Beim Studium der Ontogenese der Nieren kann ferner fest-gestellt werden, dass bei Betrachtung der Nieren in ihren 3 Entwicklungsgenerationen direkte Beziehungen zu den Ohren, zur Zunge und zum Perikard bestehen. Sowohl der in-nere als auch der äußere Verlauf des Nieren-meridians haben ihre anatomische Grundlage, so dass eine ablehnende Haltung aus abend-ländischer Sicht den neuesten naturwissen-schaftlichen Erkenntnissen widerspricht.

Schlüsselwörter
Nieren,
chinesische Medizin,
abendländische Medizin,
Nierenmeridian

Summary
In the present work, the author attempts to create a synopsis of the "kidneys" on the basis of the traditional Chinese and the strictly scientifically oriented Western medicine. The author, who has included phylogenesis and embryogenesis of man in his research program for many years, can prove, that the traditional Chinese medicine as well as the Western medicine completely correspond with respect to basic questions in the fields of physiology and pathophysiology as far as the organ "kidney" is concerned. There exist direct endocrine relations between the kidneys and the bones an d the bone marrow or the heart and the kidneys. When studying the ontogenesis of the kidneys it can be stated, that when observing the kidneys in their 3 generations of developement, there are direct relations to the ears, the tong and the pericardium. The inner as well as the outer course of the kidney meridian has its anatomic basis, so that a negative attitude from the point of view of Western medicine contradicts the latest scientific findings.

Keywords
Kidneys,
Chinese medicine,
Western medicine,
kidney meridian


Einleitung
Das "Funktionsbild Niere", wie es in der traditionellen chinesischen Medizin dargestellt wird, mag für den Arzt, der sich ausschließlich mit der abendländischen Medizin befaßt, zunächst kaum erfaßbar sein. Es ist aber beim genauen Studium modernster Erkenntnisse in der Biologie, besonders aber der Physiologie und der Embryogenese der Nieren, möglich, das "Funktionsbild Niere" nicht nur zu erklären, sondern völlige Übereinstimmungen festzustellen.
So konnte in den letzten Jahren durch die Untersuchung innersekretorischer Aktivitäten der Nieren nachgewiesen werden, dass das Organ mit Hilfe des Erythropoetins direkte Einwir-kung auf das Knochenmark hat (Cottier, Harth, Jungermann/Möhler, Löffler und Mitarb.).
So kann schon allein die Untersuchung des Erythropoetins im Serum Aufschlüsse über das Vorhandensein einer Niereninsuffizienz geben. Ich werde hierauf bei der Erörterung der Beziehung der Nieren zum Herzen noch eingehen.
Oder es kommt bei Niereninsuffizienz zu einer verminderten renalen Produktion von 1,25-Dihydroxycholekalziferol (1,25-DHCC), was Rachitis-ähnliche Veränderungen in den Knochen hervorruft (Cottier).

Doch welchem Arzt ist z.B. bekannt, dass der Entstehungsort der Vornieren der spätere Versorgungsbereich des Nervus hypoglossus, des XII. Gehirnnerven, ist; dies würde bedeuten, dass direkte neutrale Beziehungen zwischen den Nieren und dem Zungengrund oder der Dura mater des Gehirns bestehen (Clara, von Hayek, Lierse). Es dürfte auch den abendländischen sogenannten Schulmediziner kaum interessieren, dass von der Urniere abgesprengtes Zellmaterial aus dem Halsbereich später in direktem Kontakt zum Perikard, dem Herzbeutel, zu liegen kommt (von Hayek). Da aber alle Körperzellen bei ihrer Wanderung während der Embryogenese ihre ursprüngliche Nervenversorgung "mitnehmen" (Blechschmidt, 1974), wird schon jetzt deutlich, dass die Alten Chinesen eigentlich sehr gut beobachten konnten.

Bischko schreibt im Vorwort zu seinem Buch "Akupunktur für weit Fortgeschrittene", dass es sich bei der klassischen chinesischen Medizin um eine "verklausulierte Form der Psycho-somatik gepaart mit reiner Reflexologie" handelt.
Wer sich jedoch dem intensiven Studium unserer erworbenen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Physiologie, der Pathophysiologie und der nach Blechschmidt (1973) so bezeichneten Kinetischen Morphologie widmet, dem wird es nicht schwerfallen, den Schlüssel für die "verklausulierten" und aufgrund unseres abendländischen Denkens so "weltfernen" Ansichten und Begriffsbildungen in der klassischen chinesischen Medizin zu finden.

Die Nieren in der traditionellen chinesischen Medizin
Die physiologische Funktion besteht nach der chinesischen Medizin in erster Linie darin, das Jing oder die "Lebensessenz" zu speichern und Mark zu produzieren (Bischko und Mitarb., Schnorrenberger, Van Nghi). Unter Mark versteht man hierbei sowohl das Knochenmark als auch das Rückenmark und das Gehirn.
Die Nieren sind daher zuständig für die Knochen, für ihre Zeugung wie für ihr Wachstum.
Ferner sind die Nieren verantwortlich für die Aufnahme des Qi und für den Wasserhaushalt.
Der diagnostische Schlüssel für die Nieren sind die Ohren, d.h. die Gehörfunktion ist von der Versorgung durch "Nieren-Qi" abhängig (Bischko und Mitarb., Schnorrenberger, Van Nghi). Außerdem bestehen Beziehungen der "Nierenenergie" zu den Geschlechtsorganen und zum After. Der "Glanz" der Nieren zeigt sich an den Haaren des Kopfes.

Die Nieren als Speicherorgan
In den Nieren wird das angeborene Jing, die Erbessenz, gespeichert. Diese muß dann später ständig von der erworbenen, aus den Nahrungsmitteln in den einzelnen Organen gewonnenen Essenz ernährt werden, was zu einer Stärkung des Nieren-Jing und somit auch des Nieren-Qi führt (Schnorrenberger, Van Nghi). Somit hängen die Zeugnisfähigkeit, aber auch das Wachstum des menschlichen Organismus sowohl vom Jing als auch vom Qi der Nieren (Essenz bzw. Funktion) ab. Das Nieren-Jing wird dem Yin, das Nieren-Qi dem Yang zugeordnet. Dieses Yin und dieses Yang helfen einander, ziehen sich an und stoßen sich ab - in einer ununterbrochenen Folge während des gesamten Lebens. Bis zur Pubertät sind dieses Nieren-Yin und dieses Nieren-Yang voll entwickelt und nehmen dann im Verlauf des Lebens immer mehr ab. Somit haben die Nieren zwei Wurzeln: Yin und Yang (Schnorrenberger, Van Nghi).
Dieses Nieren-Yin und dieses Nieren-Yang haben zwar verschiedene Funktionen, können jedoch nicht voneinander getrennt werden. Ist genügend Nieren-Yin (Jing) vorhanden, so ist auch das Nieren-Yang (Qi) stark. Ist das Yin der Nieren jedoch nicht ausreichend, wird dies immer zu einer Schwächung des Qi der Nieren führen (Schnorrenberger, Van Nghi).
Die fernöstlichen Texte beschreiben die Nieren nicht "anatomisch", sondern grundsätzlich "energetisch" (Van Nghi). Dies mag zunächst wenig verständlich sein. Was könnten die Chinesen mit dem Wort "Erbenergie" gemeint haben? Hierzu bedarf es eigentlich nur des Studiums der neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Embryologie.

Die Ontogenese und die Phänogenese des Menschen
Die letzten 20 Jahre haben uns geradezu revolutionäre Erkenntnisse auf dem Gebiet der Menschwerdung gebracht. Noch während meines Medizinstudiums war das "Biogenetische Grundgesetz" nach Haeckel mehr oder weniger die Grundlage der Entwicklung aller höheren Wesen, somit auch des menschlichen Keimlings. Kurzgefaßt hieß dies: Der Mensch wieder-holt während seiner Individualentwicklung verkürzt den Prozeß der Stammesentwicklung, d.h. die Ontogenese beinhaltet eine sozusagen geraffte Phylogenese.
Nachdem es möglich war, bei Operationen rein zufällig frühe menschliche Keimlinge zu erhalten und durch spezielle Fixierungsmethoden einer exakten Untersuchung zu unterziehen, ist das "Biogenetische Grundgesetz" endgültig widerlegt. Nach Blechschmidt (1973) ist die Frage, warum aus einem Hühnerei immer ein Huhn und aus einem Froschei immer ein Frosch entsteht, so beantwortet worden, dass das Ei des Huhns immer schon die Anlage eines Huhns und das Froschei von Anfang an den Frosch beinhaltet. Dies würde bedeuten, dass sich in der Embryogenese des Menschen nicht so allmählich erst ein Mensch entwickelt, sondern, weil der Mensch sich aus einer typisch menschlichen Eizelle entwickelt, ist er von Anfang an ein Mensch. Es ist auch heute endgültig bewiesen, dass es keine sogenannten rudimentären Organe gibt, die, wie es Blechschmidt (1973) nennt, als eine Art "Ruine" gleichsam einen Denkmalschutz in der Ontogenese beanspruchen. Jedes Organ trägt ausnahmslos in seiner Entwicklung zur Gestaltung des ganzen Körpers bei, auch wenn es vielleicht wieder rückgebildet wird.
Ähnlich wie Haeckel versuchte Konrad Lorenz (zit. nach Blechschmidt, 1973) ein "Psychogenetisches Grundgesetz" aufzustellen, was die Entwicklung der menschlichen Verhaltensformen als eine Art Wiederholung tierischer Verhaltensweisen verstehen wollte. Auch dies dürfte durch die revolutionären Erkenntnisse auf dem Gebiet der Embryogenese
in den letzten 20 Jahren widerlegt sein.
Hat man noch vor 20 Jahren die Gene als Motor der Entwicklung eines Organismus angesehen, so ist auch dies heute ad acta gelegt. Es müßten ja sonst die Gene, die ja in jeder Körperzelle die gleichen sind, in Bruchteilen von Sekunden von jeder Stelle des Körpers aus die Entwicklung steuern, d.h. sie müßten immer wissen, wo und wie sie gerade zu differenzieren haben (Blechschmidt, 1973). Es besteht zwar kein Zweifel, dass die Gene eine große Bedeutung für die Vererbung bestimmter Merkmale haben, sie wirken damit aber nur indirekt auf die Differenzierung eines sich entwickelnden Keimlings. In den Genen liegt somit nicht das Muster der Differenzierung.

Aufschlußreich war der Versuch einer Kerntransplantation von Gurdon in Oxford (zit. nach Czihac und Mitarb.). Unbefruchtete Eizellen des Krallenfroschs Xenopus laevis wurden durch UV-Bestrahlung entkernt. Aus einer Kaulquappe eines anderen Stamms wurden aus Darmepithelzellen die Kerne entfernt, und diese wurden "nackt" ins Zytoplasma der entkernten Eizellen eingespritzt. Einige der so manipulierten Zellen entwickelten sich durch Parthenogenese ohne Befruchtung zu geschlechtsreifen Fröschen. Dies bedeutet, dass die Teilungsfähigkeit des Zellkerns und das gesamte Spektrum der darin gespeicherten Information durch Faktoren im Zytoplasma in Funktion gesetzt werden und dass das Zytoplasma den Wechsel des Erscheinungsbilds während der Entwicklung hervorbringt (Blechschmidt, 1973).

Die ursprünglich weibliche Determination des Embryo
Aus dem o.g. wird deutlich, dass die "Quelle des Lebens" immer weiblich ist. In der Tat ist der menschliche Keimling bis zur 11. Schwangerschaftswoche in seiner Phänogenese weiblich determiniert. Wir haben das Phänomen vor uns. Dass sich die männliche Geschlechtsanlage und das männliche Geschlecht nur dann entwickeln, wenn bestimmte Vorgänge eingeleitet werden. Ist dies nicht der Fall, bildet sich automatisch das weibliche Geschlecht heraus (Pöldinger).

Das Zytoplasma der Eizelle und die Erbenergie (Nieren-Yin)
Das Zytoplasma der Eizelle ist rein mütterlichen, also weiblichen Ursprungs. In dieses Zytoplasma ist die gesamte Energie für die Entwicklung und das Wachstum gelegt; damit entspricht sie dem angeborenen Yin der Nieren, der sogenannten Erbenergie. In der traditionellen chinesischen Medizin ist das Nieren-Yin das reinste Yin an sich, da es keine Yang-Anteile besitzt.
Diese Erbenergie hat keine Symptome der Fülle. Die Menge der Erbenergie wird sich aber durch pathologische Einflüsse im Verlauf des Lebens immer mehr abschwächen und Symtome der Leere, wie Schwäche der Gliedmaßen oder Verlust der Libido oder Impotenz, hervorrufen (Schnorrenberger, Van Nghi). Diese Erbenergie aber kann keine Verstärkung erfahren, denn sie wurde während der Schwangerschaft von der Mutter übertragen (Van Nghi). Bereits im "Nei King" (in der Übersetzung von Van Nghi) wird im ersten Kapitel auf die Erhaltung dieses Jing durch eine Lebensführung hingewiesen.
Heute ist es jedoch möglich geworden, durch Injektion von zytoplasmatischen Substanzen fetaler Tiere oder durch Implantation fetaler Zellen in mäßigem Umfang einen Teil der verlorengegangenen "Erbenergie" zurückzugewinnen". Dies habe ich auch in der von mir gezielt angewandten zytoplasmatischen Akupunktur voll bestätigen können.
Wird das Yin der Nieren schwach, führt dies immer zu einer Schwächung des Yin der Leber. Diese Schwäche des Yin der Nieren kann aber auch dem Herzen, der Milz und der Lunge deren Yin entreißen (Van Nghi), d.h. die vier Organe: Leber, Herz, Milz und Lungen, werden durch Schwächung der Erbenergie oder der Nierenessenz (s.o.) so geschwächt, dass in ihnen das Yang überwiegen wird mit allen daraus resultierenden Krankheitssymptomen. Aufgrund des o.g. ist es nicht korrekt, von einer Yin-Niere und einer Yang-Niere zu sprechen. Noch schlimmer und unverständlicher sind die Begriffsbestimmungen "Wasserniere" und "Feuerniere". Auch ist es nicht richtig, die Yang-Niere als Nebenniere zu identifizieren, denn einerseits ist das Nebennierenmark ektodermalen Ursprungs, andererseits bilden die mesenchymalen Organe Niere, Nebennierenrinde und Keimdrüsen sowohl in der abendländischen als auch in der chinesischen Medizin eine nicht zu trennende Einheit.
Die Symptomatik einer Nierenerkrankung ist immer die "Leere", die des Yin oder die des Yang.
Da das Nieren-Yang aber therapeutisch angehbar ist, besteht die Möglichkeit einer Behandlung.

Die "Quintessenz" des Aristoteles
Die Erbenergie der Chinesen würde somit der "Quintessenz" (dem fünften Wesen) der Lehre des Aristoteles entsprechen, der sie als Äther den vier Elementen zufügte. Paracelsus sah in ihr den Extrakt aller Elemente. Bei den mittelalterlichen Alchimisten entsprach die "Quintessenz" dem lebenerzeugenden und lebenerhaltenden "Spiritus" (zit. nach Brockhaus-Enzyklopädie).

Das "Orgon" von Wilhelm Reich
Wilhelm Reich erarbeitete, wie er selbst schreibt, auf psychotherapeutischen Gebiet die Technik der "charakteranalytischen Vegetotherapie". Er sieht in ihr als Grundprinzip die Wiederherstellung der "biopsychischen Beweglichkeit". Experimentell begründet wurde diese Technik der Neuroseheilung durch ihn mit der Enthüllung der "bioelektrischen Natur der Sexualität und der Angst". In ihnen sieht er die beiden entgegengesetzten Funktionseinrichtungen des lebenden Organismus: "lustvolle Expansion und ängstliche Kontraktion". Wilhelm Reich sagt, dass der Sexualprozeß, mit anderen Worten: der expansive biologische Lustprozeß, der produktive Lebensprozeß schlechthin ist.
Einfacher kann man eigentlich die Erbenergie oder das Nieren-Yin nicht erklären. Um so erstaunlicher ist aber, dass auch Wilhelm Reich die "Angst" in den Prozeß um die "Erbenergie" einfließen läßt. Ist aber nicht gerade die Angst das "Gefühl", das in der "Theorie der Fünf Wandlungen" den Nieren zugeordnet ist? Auf die Angst in Verbindung zu den Nieren werde ich später noch ausführlicher eingehen.

Die Stellung der Lunge zu den Nieren
In der "Theorie der Fünf Wandlungen" ist der Niere das Organ "Lunge" in der "Ernährung" vorgeschaltet. Dies bedeutet, dass eine Schwäche des Lungen-Qi immer zu einer Schwäche des Nieren-Qi führt. Unter Lungen-Qi ist eigentlich nichts anderes als die Atemenergie bzw. die von den Lungen aufgenommene Luft mit ihrem Sauerstoffgehalt zu sehen. Dass ein menschliches Leben ohne Sauerstoff nicht möglich ist, braucht wohl nicht diskutiert zu werden.
Gegenüber den anderen größeren Organen, wie Gehirn, Leber oder Herzmuskel, ist kein Organ im menschlichen Organismus so stark durchblutet wie die Nieren. Die Gesamt-durchblutung beider Nieren zusammen entspricht etwa 20% bis 25% des Herzzeitvolumens (Cottier, Harth). Diese hohe Gesamtdurchblutung ist jedoch in erster Linie durch die Funktion der glomulären Filtration der Nieren bedingt. So werden pro Minute im Bereich der Glomeruli insgesamt etwa 100-140ml Primärharn in die Bowmanschen Kapselräume gepreßt. Trotzdem ist der renale Sauerstoffverbrauch im Vergleich zu anderen Organen recht groß. Kommt es jedoch zu einem Minderangebot an Sauerstoff, was in der chinesischen Medizin einem Minderangebot von Lungen-Qi gleichkommt, führt dies zu einer Schwächung des Nieren-Qi und somit auch des Nieren-Yang.
Umgekehrt entsteht bei Schwäche des NierenYin "üppiges Feuer", das das Yin der Lunge verbrennen und schädigen kann. Da aber durch Schwäche des Lungen-Qi die Körper-flüssigkeiten nicht reguliert werden können, werden sie nicht die Blase erreichen können. (Schnorrenberger). Tatsächlich kommt es bei chronischer Niereninsuffizienz und beim urämischen Syndrom zur "urämischen Pneumonitis", z.T. mit Ödemflüssigkeit, wobei dieses Ödem bei konstantem Hypertonus über eine Links-Herzinsuffizienz in ein echtes Lungen-ödem einmünden kann. Außerdem kommt es bei der chronischen Niereninsuffizienz zu Niederschlägen von Kalziumphosphat in den Lungenalveolen, was zu deren Untergang führen wird (Cottier).
Im Yang-Partner der Lunge, dem Dickdarm, wird es zur "urämischen Kolitis" kommen, die sich einerseits in einer Obstipation, andererseits aber auch in einer Diarrhö äußern kann (Cottier).
Was den Yang-Partner der Milz, den Magen, betrifft, so kommt es dort beim "urämischen Syndrom" zu Übelkeit und Erbrechen (Cottier).

Die Stellung der Milz zu den Nieren
Nach den Erkenntnissen der Hämostaseologie spielt aber auch die Viskosität, d.h. die Fließeigenschaft des strömenden Blutes, für die Durchblutung eines Organs eine große Rolle. Ist die Viskosität z.B. bei Erhöhung des Blutfettspiegels oder des Cholesterinspiegels erhöht, kommt es zu einer Verschlechterung der Durchblutung im Organismus (Wendt).
In der chinesischen Medizin erzeugt der Magen als Yang-Partner der Milz die Nährenergie, die die fünf Organe und die sechs Hohlorgane ernährt (Van Nghi). Die aus den Nahrungs-stoffen vom Magen extrahierte Nahrungsessenz wird dann vom Yin-Partner Milz in Qi umgewandelt und über den ganzen Körper verteilt. Kommt es jedoch zu einer Störung dieser Umwandlungsfunktion in der Milz, kann das Qi der Milz wegen Mangel an Flüssigkeit nicht genügend fließen, d.h. das Qi der Milz ist schwach. Schnorrenberger schreibt: Transport und Umwandlung der Wassernässe der Milz sind entscheidend dafür, dass der Organismus genügend Flüssigkeit hat und die Wassernässe nicht ins Stocken gerät. Dieses Stocken der Wassernässe wäre in unserer abendländischen Medizin vergleichbar mit erhöhter Viskosität, da es auch hier zur Verschlechterung der Fließeigenschaft einer Flüssigkeit kommt.
Wie ich bei meinen Untersuchungen über die Milz aus der Sicht der chinesischen und der abendländischen Medizin nachweisen konnte, entspricht die "chinesische Milz" dem sogenannten inneren Kreislauf, wie ihn Eppinger genannt hat. Hierbei handelt es sich um die extrazelluläre Flüssigkeit, die beim erwachsenen Menschen immerhin 16-18 l ausmacht. Durch diesen inneren Kreislauf werden aber alle parenchymatösen Organe ernährt, d.h. sowohl die Sauerstoffzufuhr als auch die Zufuhr von Fetten, Kohlenhydraten oder Eiweiß-körpern in die parenchymatösen Organe werden durch den inneren Kreislauf und somit durch die Milz gesteuert. Kommt es jedoch durch ein Überangebot in der Nahrung nicht zu einer völligen Verstoffwechselung z.B. von Fetten und Cholesterin, so werden diese Stoffe dann z.T. im Gewebe abgelagert, werden z.T. aber auch im Blutkreislauf zur Erhöhung der Viskosität des strömenden Blutes führen.
Da bei einer Schwäche des Qi der Milz auch eine Schwäche des Qi der Lunge eintritt, führt dies über den Mangel an Sauerstoff zu einer Schwächung des Nieren-Qi, auch Nieren-Yang genannt. Dies wird auch durch die Erkenntnisse über die Physiologie der Nieren in unserer abendländischen Medizin eindeutig erklärt. Die Arbeit der Nieren als Ausscheidungsorgan wie als innersekretorisches Organ ist stark abhängig von der zugeführten Menge an Sauer-stoff. In meiner Arbeit "Die Funktion der Milz in der abendländischen und in der chinesischen Medizin" habe ich ausführlich über diese Dinge berichtet. So ist es tatsächlich möglich, durch Injektion von Milzdialysaten bzw. Zytoplasma aus fetaler Milz eine Wirkung auf den ge-samten Organismus zu erzielen, wodurch die zentrale Stellung der Milz in der chinesischen Medizin ihre Bestätigung findet.

Die Stellung des Herzens zu den Nieren
Ist das Yang der Nieren geschwächt, kann das Wasser nicht nach oben steigen. Dadurch kommt es durch das Phänomen der Zerstörung zu einer Erhöhung der Yang-Energie im Herzen, da die vom Partner, dem Dünndarm, in das Herz transportierte Yang-Energie durch die Schwäche des Nieren-Yang nicht in Yin des Herzens umgewandelt werden kann. Van Nghi sagt: Ist das Wasser der Nieren zu schwach, kann es das Feuer des Herzens nicht bändigen. Dies äußert sich in Herzklopfen, Herzdruck, Gedächtnisschwäche, Schlafstörungen und Erregungszuständen. Tatsächlich kommt es durch die erhöhte Viskosität des Blutes zu einer Verminderung des Sauerstoffangebots in den Nieren. Dies wiederum hat zur Folge, dass es, durch den Sauerstoffmangel bedingt, zu einer verstärkten Erythropoese im Knochenmark kommt. Wie ich bereits anfangs andeutete, greifen die Nieren über das Hormon Erythropoetin direkt in die Blutbildung im Knochenmark ein. Da aber die Zunahme der roten Blutkörper-chen eine Erhöhung des Hämatokrits zur Folge hat, wird der Körper dies durch eine Erhöhung des kardialen Drucks zu kompensieren versuchen. Dies würde aus chinesischer Sicht der Erhöhung der Yang-Energie des Herzens entsprechen. Daß dies zu Herzdruck und Schlaf-losigkeit führt (Van Nghi), dürfte auch jedem Schulmediziner einleuchten. Tatsächlich sind die Nieren über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System an der Aufrechterhaltung des arteriellen Blutdrucks beteiligt.
Umgekehrt wird es bei einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz zu einer Abnahme des Erythropoetinspiegels im Serum kommen. So kann die Bestimmung des Erythropoetins im Serum eine Aussage darüber machen, ob eventuell noch mit einer Behandlung mit zyto-plasmatischen Substanzen ein Therapieerfolg erzielt werden kann. So lag bei einer 49jährigen Frau mit bereits erheblich eingeschränkter Nierenfunktion (Niereninsuffizienz im Stadium III) bei einem Kreatinin von 6,0mg/dl und einer Anämie mit Hb: 10,8g/dl, Ery: 3,54mio/l, Hkt: 32,2% der Erythropoetinwert bei 20mU/ml (Normalwert: 17+-2,2, X+/SD, n=26). Dies besagt, dass in vorliegendem Fall die Anämie nicht allein nephrogener Natur sein konnte. Tatsächlich war ein erheblicher Zinkmangel von 6,34mg/l (Normalwert: 7,30-7,70) die Ursache. Umgekehrt kann es bei einer chronischen Anämie zu einem erheblichen Anstieg des Erythropoetinspiegels kommen, wie bei einem 56jährigen Mann, bei dem seit dem 35. Lebensjahr nach "medikamentöser" Behandlung einer "Allergie" eine chronische Erythroplastopenie besteht. Hier lag der Erythropoetinspiegel im Serum bei 261mU/ml, was einer 15fachen Erhöhung entspricht. (Die Bestimmungen des Erythropoetins im Serum wurden von Herrn Prof. Dr. Bauer, Physiologisches Institut, Universität Zürich, durch-geführt.)
Andererseits ist es heute möglich, selbst bei der schwersten nephrogenen Anämie durch die Zufuhr von gentechnisch hergestelltem rekombinantem Erythropoetin auf die nicht immer ungefährliche Bluttransfusion zu verzichten (Eschbach und Mitarb.).
Nach Talartschik und Mitarb. Stellt der atriale natriuretische Faktor (ANP = atrial natriuretic peptice) das lange gesuchte Bindeglied zwischen Herz und Niere dar. So führt eine Erhöhung des Intravasalvolumens über einen Dehnungsreiz an den Vorhofmyozyten zur Freisetzung des Hormons aus den Speichergranula und hat so eine rasche Blutdrucksenkung durch Gefäß-relaxation, eine Natriurese und somit eine vermehrte Wasserausscheidung der normal arbeitenden Niere zur Folge.
Somit lassen sich auch hier ungeahnte Parallelen zwischen der abendländischen und der traditionellen chinesischen Medizin finden.

Was das "urämische Syndrom" betrifft, so habe ich bereits auf den dadurch bedingten Hypertonus hingewiesen, der letztlich in eine Linksinsuffizienz mündet. Zusätzlich kann es aber zu einer "fibrinösen Perikarditis" in all ihrer Schwere kommen (Cottier), was sich dann weiterhin negativ auf die oben bereits beschriebene Funktionsstörung im Herz-Milz-Lungen-Kreis auswirken wird.
Kommt es nach der "Theorie der Fünf Elemente" bzw. der "Theorie der Fünf Wandlungen" nicht zu einer Umwandlung des Yang des Herzens in das Yin des Herzens, führt diese durch das Phänomen der Zerstörung wieder zu einer Schwächung der Lungenenergie. Es entstehen trockener Husten, Bluthusten und kalter Schweiß (Van Nghi). In Abb. 1 sind die "Fünf Wandlungen" mit dem Phänomen der Erzeugung bzw. der Zerstörung dargestellt.

Die Stellung der Leber zu den Nieren
Die Leber ist in der "Theorie der Fünf Wandlungen" das den Nieren nachfolgende Organ, d.h. die Nieren ernähren die Leber. Nach der Lehre der chinesischen Medizin beeinflussen sich Leber-Yin und Leber-Yang, Nieren-Yin und Nieren-Yang gegenseitig (Schnorrenberger, Van Nghi). Ist z.B. das Yin der Niere schwach, wird dies eine Schwächung des Yin der Leber zur Folge haben, und das Yang der Leber wird am Lebermeridian nach oben steigen und Kopfdruck hervorrufen. Schnorrenberger schreibt: Das Leber-Yang bewegt sich maßlos und schädigt somit zusätzlich das Yin der Niere, so dass der Zustand des nicht ausreichenden Nieren-Yin noch verstärkt wird.
Wie ich unter näher ausführen werde, muß das Sexualhormon Östrogen im Gegensatz zu den anderen NNR- und Keimdrüsenhormonen in der Leber so verstoffwechselt werden, dass es via Nieren über den Urin ausgeschieden werden kann. Auch beim Mann werden genügend Mengen an Östrogen produziert, die aber bei einer gesunden Leber für den Mann keine negativen Folgen haben werden. Es sollte eigentlich jedem Arzt bekannt sein, dass bei Vorliegen einer Leberinsuffizienz, z.B. bei einer Zirrhose, der Schweregrad der Erkrankung an der sogenannten Bauchglatze ersichtlich ist, d.h. je nach Überwiegen der Östrogene gegenüber den männlichen Keimdrüsenhormonen kommt es zum Haarausfall besonders am Bauch, wo dann allmählich eine typisch weibliche Schambehaarung auftreten wird. Zusätzlich kann es dann bei diesen Männern zur Bildung von Brüsten kommen, die dann in einer Mastodynie bis zur Mastopathie Beschwerden verursachen. Dass die sexuelle Potenz des Mannes bei einer Leberinsuffizienz völlig verloren gehen kann, braucht wohl kaum diskutiert werden.
Andererseits wird es aber beim "urämischen Syndrom" auch durch die "Schwäche der Niere" bedingt zu schweren Störungen in der Enzymleistung der Leber oder zu einer Herabsetzung der Proteinsnthese in der Leber kommen (Cottier).

Es zeigt sich somit, dass den chinesischen Ärzten eine Vielfalt von Störungen der übrigen Organe bei einer Störung der Nierenfunktion bekannt war. Dass man diese Störungen dann, allein aufgrund der Symptomatik erklärend, etwas "umständlich" benannte, dürfte jedoch der chinesischen Medizin keinen Abbruch tun.

(...)

Der Circulus vitiosus in der Störung des Nieren-Funktionskreises
Wie aus meinen bisherigen Ausführungen ersichtlich, stellt das Zusammentreffen der Störungen im Nieren-Funktionskreis eine erhebliche Belastung des Organismus dar. Für den Arzt, der mit diesen Dingen vertraut ist, stellt sich eigentlich als Therapie der Wahl nur der Aderlaß in Verbindung mit der Hämodilution und/oder einer zusätzlichen sogenannten großen Blutwäsche mit einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch dar. Eine zusätzliche Behandlung mit Akupunktur kann den Erfolg zwar verbessern, ist aber als Intitialtherapie m.E. nicht von genügender Effizienz. Dieses therapeutische Vorgehen gehört heute zum Hauptrüstzeug in meiner Praxis.

Gottstein berichtet, dass bei Messungen aufgefallen war, dass die Durchblutung des Gehirns bei Patienten mit hohem Hämoglobin- und hohem Hämatokritwert vermindert, bei Patienten mit Anämie dagegen erhöht ist. Zu dieser Minderdurchblutung kommt ein erhöhter systolischer Blutdruck als Erfordernisdruck wegen der erhöhten Blutviskosität. Wegen dieser erhöhten Viskosität ist auch der Eigendruck des strömenden Blutes erhöht, was sich in einer Anhebung des diastolischen Drucks bemerkbar macht. Trotz der erhöhten Pumpenleistung des Herzenz kann aber der Herzmuskel wegen der durch die erhöhte Viskosität bedingten herab-gesetzten plastischen Verformbarkeit der Erythrozyten nicht genügend mit Sauerstoff versorgt werden. Auch in der Lunge kommt es zum "Blutstau", was dann häufig als Emphysem-bronchitis in Erscheinung tritt. Durch einen Aderlaß von etwa 300-500ml und einer gleich-zeitigen Infusion der gleichen Menge einer physiologischen Kochsalzlösung verschwinden meist schlagartig bei den betreffenden Patienten der Herzdruck und die zerebrale Minder-durchblutung. Eine zusätzliche anschließende Reinfusion einer mit einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch angereicherten Menge von ca.125ml Eigenblut führt zu einer weiteren Verbesserung der häufig schweren Krankheitssymptomatik. Aufgrund von Untersuchungen von Kiesewetter werden bei Menschen mit einem Hämatokrit über 40% mit z.T. schwersten Durchblutungs-störungen diese allein durch den Aderlaß behoben. Hinzu kommt, dass durch den Aderlaß eine Senkung eines eventuell erhöhten Triglycerid- bzw. Cholesterinspiegels erreicht wird (Wendt).
Nach der chinesischen Medizin fördert meine o.g. Therapiekonzeption eine Verbesserung des Qi von Milz, Lungen und Nieren. Es kann somit festgestellt werden, dass eine rein schul-medizinische Therapie sich in ihrer Wirkung mit Hilfe der chinesischen Medizin durchaus erklären läßt.

Die Beziehung der Nieren zu den Gefühlen
Die Chinesen haben den fünf Organen fünf Gefühle zugeordnet. Bei den Nieren steht, wie bei allen Autoren im Abendland angegeben, die Angst (Bachmann, 1959; Bischko, Schnorren-berger, Van Nghi). Der Psychoanalytiker Fritz Riemann schreibt in seinem Buch "Grund-formen der Angst", dass Angst, wenn man sie einmal "ohne Angst" betrachtet, eigentlich immer einen Doppelaspekt hat: Einerseits kann sie uns aktiv machen, andererseits kann sie uns lähmen. Angst ist immer ein Signal und eine Warnung bei Gefahren; sie enthält aber gleichzeitig den Aufforderungscharakter, nämlich den Impuls, sie zu überwinden. Das Annehmen und Meistern der Angst bedeutet einen Entwicklungsschritt, läßt uns ein Stück reifen. Das Ausweichen vor der Angst hingegen und das Meiden der Auseinandersetzung mit ihr läßt uns dagegen stagnieren; es hemmt unsere Weiterentwicklung und läßt uns dort kindlich bleiben, wo wir die Angstschranke nicht überwinden.
Kaum treffender als mit diesen Worten von Fritz Riemann läßt sich die Angst in ihrem Yang- und in ihrem Yin-Charakter und in ihrer Beziehung zu den anderen vier Gefühlen definieren.
Wir sagen im Volksmund: "Uns ist etwas auf die Nieren geschlagen", "uns sitzt der Schreck in den Knochen", "uns ist der Schreck in alle Glieder gefahren", "es geht uns durch Mark und Bein". Wir werden mit der Angst konfrontiert, sie wird uns beflügeln, oder wir werden in sie eingesogen. Sie kann uns Kraft geben zum Zorn, zur Wut, zur Arbeitswut (Leber), aus der dann eine große Freude (Herz) erwachsen kann. Sie kann uns aber auch lähmen; und sie wird dann als innere Leere jede Möglichkeit zur Freude unterdrücken; sie wird uns unsere Lebens-energie nehmen; sie wird als Todesangst unserem Leben ein Ende bereiten. So kann die aktive Angst ungeahnte Energien entwickeln; sie kann aber auch passiv werden lassen, uns zur Selbstzerstörung, zum Selbstmord treiben.

Das mit den Nieren gekoppelte Sinnesorgan ist das Ohr. Auf diese Koppelung aus anatomischer Sicht werde ich später noch ausführlich eingehen. Das Ohr ist das Sinnesorgan, das passiv ist. Wir hören ein Geräusch. Es kommt die Angst, die uns "die Haare zu Berge" treibt. Jeder, der dieses einmal erlebt hat, wird sich entweder an die "Flucht Hals über Kopf" oder an das "lähmende Entsetzen" zurückerinnern.
Wissenschaftler der California Medical School, Davis, haben das Wahrnehmungsvermögen des bewußtlosen Patienten untersucht. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Opera-teure bei einer Operation während des Eingriffs ungehindert miteinander sprechen könnten. Forscher wie Bennet entdeckten aber, dass gleichzeitig auf Tonband aufgenommene Gesprä-che nach der Operation von den Patienten z.T. bewußt wiedergegeben wurden. D.h., dass das Ohr auch während einer Narkose sowohl unbedacht geäußerte negative Bemerkungen als auch konstruktive Äußerungen registriert, was für die postoperative Phase oder sogar für das weitere Leben von außerordentlicher Bedeutung sein kann, denkt man nur an Äußerungen über eine vielleicht nicht erfolgversprechende Krebsoperation. Dass auch das Ohr nach dem klinischen Tod zumindest für eine bestimmte Zeit perzeptorisch reagiert, wird von Moody in vielen Fällen belegt. So konnten reanimierte Personen nach einem zum klinischen Tod führenden Herzinfarkt sich genauestens an Äußerungen der die Wiederbelebung Durch-führenden erinnern.

Somit wäre auch denkbar, dass die in einem Menschen schlummernden unbewußten Ängste Perzeptionen während seiner Entwicklungsphase im Mutterleib darstellen. Dass der freudige oder angstvolle Herzschlag der Mutter zu einer Veränderung des fetalen Herzschlags führt, ist bekannt. Die pränatale Psychologie und Medizin konnten nachweisen, dass Feten bereits eigenaktive, erlebnis- und lernfähige menschliche Lebewesen sind, die mit ihrer Umwelt intensiv kommunizieren. Die subtile Hörfähigkeit des Fetus ist durch viele Untersuchungen belegt (Gross). So konnten Neugeborene beispielsweise Kinderlieder wiedererkennen, die man ihnen vor der Geburt im Mutterleib vorgespielt hatte (Janus). Dies gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Psychagogik der Frau während der Schwangerschaft.
Die Verbindung der Nieren zu ihrem Yang-Partner, der Blase, kann ebenfalls von der Angst stark beeinflußt und geprägt sein. Wer kennt nicht die Reiz- oder Tröpfelblase bei der Examensangst. Im Volksmund gibt es hierzu sehr treffende Beobachtungen: "es läuft einem eiskalt den Rücken herunter", "man bekommt kalte Füße", "macht letztlich in die Hose". Treffender kann eine im Körper falsch laufende "Energie" nicht beobachtet und beschrieben werden.
Auch die Beziehung des Denkens (Milz) zur Angst (Nieren) ist durch das Phänomen der Zerstörung einleuchtend. Wird das Denken zum Grübeln, so kann nicht die Angst, die beflügelt, keimen, sie wird im Keim erstickt werden. So werden auch beim Phänomen Angst das Yin und das Yang sich gegenseitig anziehen oder abstoßen - in einer ununterbrochenen Folge während des ganzen Lebens.

(...)

Eigentlich sind bei diesen so klaren Gegebenheiten auf dem Gebiet der Embryologie, der Physiologie und der Pathophysiologie keine größeren Diskrepanzen in der Betrachtung der "Nieren" und ihres Funktionskreises aus der Sicht der chinesischen und der abendländischen Medizin mehr vorhanden. Mögen viele Ansichten der chinesischen Ärzte auch zunächst, wie Bischko sagt, "verschlüsselt" erscheinen, so erweisen sie sich dann bei genauer Betrachtung als nichts anderes als das Resultat genauester Beobachtungen durch die Jahrhunderte.

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(Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Hubertus J. Buchheit, Alte Chaussee 29, 66440 Blieskastel)

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